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Die Filzbindige Seidenbiene

Wildbiene des Monats Juni 2023

Sissi St. Croix
Die Filzbindige Seidenbiene

Mit ihren auffälligen breiten Endbinden am Hinterleib ist die Filzbindige Seidenbiene (Colletes fodiens) ein echter Hingucker. Sie ist etwas größer und heller als andere Seidenbienen-Arten, im Feld allerdings schwer von ihren Gattungsschwestern zu unterscheiden.

Vom Mittelmeer bis nach Skandinavien, vom Iran bis nach Nordwestchina: Überall, wo sie geeignete Lebensräume findet, lässt sich die emsige Biene nieder. Sie ist auch in ganz Deutschland verbreitet. Aufgrund ihrer Lebensraumansprüche finden wir sie mittlerweile jedoch nur noch selten. Die sandliebende Art ist im Norden des Landes häufiger anzutreffen als in Mittel- oder Süddeutschland. Lockere Sandgebiete wie Binnendünen und Flugsandfelder, Sand- und Kiesgruben, Hochwasserdämme oder Ruderalflächen bieten ihr ideale Bedingungen, um sich um den Nachwuchs zu kümmern.

 

Die Wühlmaus unter den Seidenbienen

Der wissenschaftlicher Name der Filzbindigen Seidenbiene verrät viel über ihren Nestbau: Die lateinische Artbezeichnung »fodiens« bedeutet so viel wie »grabend« oder »wühlend«. Und das nicht von ungefähr: Das Weibchen gräbt kleine Gänge in offenen, sandigen Bodenstellen. Die darin mündenden unterirdisch gelegenen Brutzellen kleidet es mit einem körpereigenen Sekret aus, welches an der Luft zu einer seidenpapierähnlichen Schicht aushärtet.

Spannend: Anders als die meisten Wildbienen, fertigt die Filzbindige Seidenbiene für ihre Larven kein festes Pollenbrot: Sie legt den Proviant in Form von Flüssignahrung an, der aus einem Nektar-Pollen-Gemisch besteht. Vor dem Verschließen klebt sie jeweils ein Ei an die Decke jeder Brutzelle.

 

Beliebte Futterpflanzen

Den Pollen für den Larvenvorrat sammelt das Weibchen nur an bestimmten Pflanzen. Vor allem Rainfarn hat es ihr angetan. Auch andere Korbblütler wie Schafgarbe, Geruchlose Kamille, Sand-Strohblume und Färberkamille stehen bei ihr hoch im Kurs. Den Nestbau und die Sammelflüge absolviert unsere Wildbiene des Monats von Anfang Juli bis in den September hinein. Nach getaner Arbeit endet ihre Flugzeit. Ihre Nachkommen überwintern als Ruhelarve in ihren unterirdischen Kammern und schlüpfen im Folgejahr.

 

Vorsicht, Kuckucksbiene!

Trotz ihrer Seltenheit und der besonderen Ansprüche finden wir auch bei ihr eine Kuckucksbiene, die sich gern die Arbeit der Brutfürsorge abnehmen lässt. Die Gewöhnliche Filzbiene (Epeolus variegatus) schmuggelt der Seidenbiene ihre Eier unter. Die schlüpfenden Filzbienenlarven vertilgen daraufhin das Pollenbrot der Seidenbienenlarven.

 

Gefährdung der Filzbindigen Seidenbiene

Um der Filzbindigen Seidenbiene und vielen anderen Wildbienen zu helfen, braucht es in erster Linie geeignete Lebensräume – etwa die aus menschlicher Sicht oft »wertlosen«, ungenutzten Ruderalflächen. Sie bieten vielen Insekten wertvolle Rückzugsorte. Gleichzeitig ist auch die Pflanzenauswahl von großer Bedeutung: Pflanze Rainfarn oder sammele dessen Samen im Spätsommer, um ihn an einer sonnigen Stelle auch in deinem Garten zum Blühen zu bringen.

Weitere Tipps, wie du bienenfreundliche Strukturen nicht nur für die Filzbindige Seidenbiene gestalten kannst, findest du unter anderem in den von mir vorgestellten Büchern → »Gartenmomente: Bienen- und insektenfreundlich gärtnern«, → »Wildnis im Garten« und → »Auf ins Beet! 30 wilde Gartenideen für Radieschenräuber und Bienenretter« oder online unter → Deutschland summt und → Wir tun was für Bienen.

 

Nachweiskarte und Gefährdung der Filzbindigen Seidenbiene

Nachweiskarte und Gefährdung der Filzbindigen Seidenbiene

 

Steckbrief der Filzbindigen Seidenbiene

Lateinischer Name: Colletes fodiens (Geoffroy 1785)
Flugzeiten: Juli bis September
Lebensraum: Sandgebiete wie Binnendünen und Flugsandfelder, Sand- und Kiesgruben, Hochwasserdämme und Ruderalflächen
Nahrung: spezialisiert, sammelt an Korbblütlern, Vorliebe für Rainfarn
Nistweise: selbst gegrabene Nester in der Erde, braucht kahle offene Bodenstellen
Parasiten: Gewöhnliche Filzbiene (Epeolus variegatus, Linnaeus 1758)
Gefährdung: in ganz Deutschland verbreitet, im Norden häufiger, in Thüringen vom Aussterben bedroht, in Sachsen und Bayern stark gefährdet, in der Schweiz selten
Besonderheiten: legt flüssigen Pollenvorrat für den Nachwuchs an

 

Weiterführende Literatur

Amiet, Felix & Albert Krebs: Bienen Mitteleuropas – Gattungen, Lebensweise, Beobachtung. Haupt Verlag, Bern 2012.

Bellmann, Heiko & Helb, Matthias: Bienen, Wespen, Ameisen. Kosmos Verlag, Stuttgart 2017.

Hemmer, Cornelis & Hölzer, Corinna: Wir tun was für Bienen. Wildbienengarten, Insektenhotel und Stadtimkerei. Kosmos Verlag, Stuttgart 2017.

Michener, Charles Duncan: The Bees of the World. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2007.

Scheuchl, Erwin & Wolfgang Willner: Taschenlexikon der Wildbienen Mitteleuropas: Alle Arten im Portrait. Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co., Wiebelsheim 2016.

Westrich, Paul: Die Wildbienen Deutschlands, 2.Auflage, 1 700 Farbfotos. Ulmer-Verlag, Stuttgart 2019.

Wiesbauer, H.: Wilde Bienen – Biologie–Lebensraumdynamik von über 470 Wildbienen Mitteleuropas, 2. Auflage. Eugen Ulmer KG, Stuttgart 2017.

 

Sissis Resümee

Die Filzbindige Seidenbiene ist eine zauberhafte kleine Wildbiene, über die ich nicht viel mehr weiß, als ich hier geschrieben habe. Laut meinem Kenntnisstand gibt es derzeit über 600 Wildbienenarten in Deutschland, 696 Arten in Österreich und 615 Arten in der Schweiz. Da Bienen Grenzen vollkommen egal sind, sind diese Zahlen ohnehin ziemlich relativ. Ist eine Konstanzer Hummel, die sich über die Grenze in den Thurgau wagt, nun eine deutsche oder eine Schweizer Wildbiene?

Fragen über Fragen … Und Fragen, auf die es keine einfache Antwort gibt. Denn die verschiedenen Wildbienenarten lassen sich selbst mit geübtem Auge nur schwer voneinander unterscheiden. Schon bei den Hummeln, denen meine besondere Liebe gehört, bin ich oft ratlos. Die Zuordnung ist selbst für Experten nur aufgrund winziger Details möglich. Wenn du dann noch bedenkst, dass jede Wildbiene ein einzigartiges Individuum ist und die Farben- und Formenvielfalt demzufolge ebenso variieren kann wie die Größe, dann kannst du meine Verwirrung beim Sichten »unserer« Wildbienen sicher nachvollziehen. Fakt ist: Ich kann dir nicht sagen, ob sich jemals eine Filzbindige Seidenbiene in unseren Garten verirrt hat.

Da die Flugzeit dieser hübschen Wildbiene erst im Juli beginnt, werde ich mir bis dahin möglichst viele Fotos und Videos ansehen, um sie gegebenenfalls zu erkennen. Zwar wächst in unserem Garten kein Rainfarn, dafür können wir aber eine Menge anderer Korbblütler bieten. Und wer weiß? Vielleicht lässt sich die Filzbindige Seidenbiene ja bei uns blicken.

XOXO

Sissi

[Quelle: → Stiftung für Mensch und Umwelt und eigene Recherche. Grafik: Dominik Jentzsch via Stiftung für Mensch und Umwelt. Artikelbild: Männchen bei der Nahrungsaufnahme auf Rainfarn, wieder einmal kongenial fotografiert von → Roland Günter.]

 

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