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Bloggergate

Sissi St. Croix
Bloggergate

Am gestrigen Abend wurde ich auf Facebook bedauerlicherweise Zeugin eines Ereignisses in der Blogosphäre, das sich mit Fug und Recht als Bloggergate bezeichnen lässt. Aus einer ursprünglich privaten kleinen Schlammschlacht zwischen zwei Bloggerinnen entwickelte sich ein öffentlicher Skandal, in den weitere Blogger mit hineingezogen wurden. Wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntlich der Dritte. In diesem Fall waren die hämisch lachenden Dritten die üblichen Verdächtigen: Kreti und Pleti, die begeistert hechelnd auf den unaufhaltsam dahinrasenden Hasskampagnenzug aufsprangen, ihre moralinverkrusteten Finger hoben und damit anklagend auf die vermeintlich Schuldigen zeigten.

Links und rechts hagelte es Schmähreden, Beleidigungen, Verleumdungen, Drohungen. Reihenweise wurden den Fanpages von Bloggerinnen die Däumchen entzogen – selbst von Bloggerinnen, die gar nichts mit der Sache zu tun hatten und nur so »dumm« waren, den betroffenen Bloggerinnen nicht schnell genug das eigene Däumchen zu entziehen. Sippenhaft? Das hatten wir schon mal in Deutschland – und wer in der Schule nur ein kleines bisschen aufgepasst hat, der weiß, wohin uns das führte …

 

Brodeln im eigenen Saft …

Über Stunden hinweg kochte und brodelte die Blogosphäre im Bewusstseinssaft der eigenen Perfektion genüsslich vor sich hin. Eine prima Gelegenheit, mal den eigenen Frust abzulassen, weil man bei Gewinnspielen immer nur Pech hat. Nun gab es endlich nicht nur einen Sündenbock, sondern gleich deren drei. Hurra! Kein Wunder, dass man selbst nie einen Gewinn abgreifen konnte: Man war ja nur ein »stiller Leser« und kein Lieblingsfan oder gar selbst Blogger. Neid und Missgunst brachen sich Bahn. Neid auf Erfolge bei Kooperationspartnern. Neid auf hohe Follower-Zahlen. Neid auf enorme Seitenreichweiten. Hier taten sich auch und gerade die »kleinen Blogger« tapfer hervor. Wie wunderbar war es doch, endlich, endlich mal auf den »Großen« herumhacken zu dürfen! Und was gab es da nicht alles zu lesen …

Von rechtlichen Schritten war die Rede. Kurzzeitig hatte ich sogar den Eindruck, dass jeder jeden verklagen wollte. Fast kam ich mir schon ein bisserl ausgeschlossen vor, weil ich nicht auch jemanden verklagen durfte. Irgendjemanden. Am liebsten aber die Bloggerin, die für diesen ganzen Wirbel verantwortlich war. Zumindest hätte ich ihr und ihrer fanatisch Treue schwörenden Anhängerschaft gern ein wenig Verstand ins Hirn geklopft. Ganz liebevoll und gewaltfrei, versteht sich. Denn offenbar schien niemandem in dieser nach Rache und Gerechtigkeit brüllenden Horde aufzufallen, dass ihre »Heldin« selbst gleich mehrere Straftaten begangen hatte. Aber dazu später mehr! Vollkommen rechtschreibsicherfrei und unter selbstbewusster Verleugnung jeglicher Grammatik bedankte sich ihre Gefolgschaft stattdessen bei der den Skandal »aufdeckenden« Bloggerin dafür, dass sie »diesen Sumpf endlich mal aufdeckt«. Leute, das ist sinnfrei – einen Sumpf kann man trockenlegen, aber nicht aufdecken.

 

Es gibt Dinge im Bloggerleben, die nicht passieren dürfen ...

Es gibt Dinge im Bloggerleben, die nicht passieren dürfen …

 

Was war geschehen?

Fakt 1: Bloggerin C. M. hat sich über Bloggerin P. T. geärgert.

Worüber genau, das wissen allein die Bloggergötter. Ob es sich dabei zufällig darum handelte, dass sie selbst keine Chance hatte, die heute von P. T. auszulosende Fritteuse zu gewinnen, wie das Gerücht die Runde macht, kann ich nicht beantworten. Ebensowenig wissen wir, wer am anderen Ende der Leitung mit P. T. gesprochen hat. Was also wissen wir?

 

Fakt 2: Bloggerin P. T. hat einer anderen Bloggerin Erfolgstipps gegeben.

Das allein ist nicht verwerflich. Im Gegenteil: Das eifersüchtige Hauen und Stechen ist nicht nur unter produkttestenden Bloggerinnen bedauerlicherweise stark ausgeprägt, sodass es fast schon einem Wunder gleichkommt, wenn eine Bloggerin der anderen hilfreich unter die Arme greift. Traurig, aber wahr!

 

Fakt 3: Bloggerin P. T. hat sich dabei ohne ihr Wissen oder gar ihre Einwilligung aufnehmen lassen und Bloggerin C. M. hat diese Aufnahme öffentlich gemacht.

Dies ist in der Tat nicht nur verwerflich, sondern sogar eine Straftat. Und zwar hat sich hier nicht etwa P. T. strafbar gemacht, sondern diejenige, die das nichtöffentlich gesprochene Wort von P. T. auf einem Tonträger gleichwelcher Art aufgenommen und der Öffentlichkeit (i. e.: Facebook) mitgeteilt hat. Hier kommt → § 201 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes zum Tragen. Anstelle von P. T. würde ich mir dies nicht gefallen lassen und hoffe, dass sie genug Kraft besitzt, tatsächlich rechtliche Schritte gegen C. M. einzuleiten. Warum die Anhänger von C. M. eine Straftat wie die Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes bejubeln, entzieht sich nicht nur meiner Kenntnis, sondern auch meinem Verständnis.

 

Fakt 4: Bloggerin C. M. hat ihre Anhängerschaft zum Teilen der illegal aufgenommenen Aufnahme aufgefordert.

Ich zitiere wörtlich: »So und nun??? Liebe ehrliche und faire Blogger Kollegen und auch alle anderen (Anm. d. Red.: Wer? Die Fanbase? Oder auch unehrliche und unfaire Blogger? Oder war Bloggerin C. M. das gleichgültig – Hauptsache teilen und Stress machen?). Teilt es. Es gibt genug Seiten bei denen ihr faire Chancen habt.«

Sehr geschickt eingefädelt von Bloggerin C. M. Damit dürfte sie sich nämlich auch noch → § 111 StGB Öffentliche Aufforderung zu Straftaten schuldig gemacht haben – und das mit Erfolg, denn die illegale Aufnahme wurde von ihren Anhängern tatsächlich fleißig geteilt, womit diese sich ebenfalls nach → § 201 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes strafbar gemacht haben dürften. Scheinbar haben einige der Damen keine anderen Hobbys.

Hinzu gesellen sich dann noch so charmante »Kleinigkeiten« wie Social Media Mobbing (cyber-bullying), Rufmord, Diffamierung und Diskreditierung, wovon nicht nur Bloggerin P. T., sondern darüber hinaus auch Bloggerin S. D. und ein mir unbekannter R. ? betroffen sind, da sie in der illegalen Aufnahme von P. T. erwähnt werden. Rufmord ist nicht direkt in den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland verankert, stellt aber im Regelfall meist einen Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Doch wo kein Kläger, da kein Richter, gell?

 

Fakt 5: Bloggerin P. T. hat bei ihren Gewinnspielen betrügerisch ausgelost. So wie übrigens viele andere Blogger auch …

Ich zitiere erneut wörtlich: »Man belohnt immer nur Gewinner, wo deine Fans sind, keinen Fremden (…), der dich nur liked wegen einem Gewinnspiel.«

Das ist in der Tat ein Skandal! Nicht nur, weil hier → § 263 StGB Betrug zum Tragen kommen könnte. Sondern auch, weil sich die Communities der betroffenen Blogger zu Recht betrogen und enttäuscht fühlen. Mit Füßen getretene Zuneigung tut weh! Ganz klar. Das gibt den Menschen aber in meinen Augen keinen Freifahrtschein, um sich einer gezielten Hetzkampagne anzuschließen und ihrerseits das geltende Recht mit Füßen zu treten. Und vergessen wir bitte auch nicht, dass sehr, sehr viele Blogger auf eigene Kosten Gewinnspiele für ihre treuen Fans veranstalten, dabei aber ständig irgendwelchen Gewinnspielgeiern zum Opfer fallen. Kein Wunder also, dass nicht gerade wenige Blogger dazu übergegangen sind, ganz bewusst bestimmte Fans zu belohnen. Wie alles im Leben, ist auch diese Entwicklung Teil des Ursache-Wirkungs-Prinzips. Nicht schön, aber leider wahr.

Verstehe mich bitte nicht falsch! Ich entschuldige damit keineswegs das vorgespielte Verlosen von Gewinnen – moralisch und menschlich bin ich ebenso enttäuscht wie jeder andere, der sich gestern und heute mit dem Thema befassen musste. Doch ich versuche stets, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Und da zeichnet sich ganz deutlich ab, dass Blogger Gewinnspiele machen müssen, wenn sie sich eine große Community auf Facebook aufbauen wollen. Und das müssen sie wiederum, weil bestimmte Kooperationspartner dies von ihnen erwarten. Der Druck auf manche Blogger ist enorm. Einige halten dem nicht stand und dann kommt es zu Ereignissen wie diesem. Was bleibt, ist ein Trümmerhaufen.

 

Nach dem Bloggergate herrscht nicht nur bei mir Ratlosigkeit

Nach dem Bloggergate herrscht nicht nur bei mir Ratlosigkeit

 

Und wie geht es nun weiter?

Mich erfüllt ein Gefühl tiefen Unbehagens, wenn ich auf die gestrigen Ereignisse blicke. Als Follower vieler Blogs fühle ich mich verunsichert und weiß nicht, ob ich zukünftig noch an Gewinnspielen von Bloggern teilnehmen möchte. Was ist, wenn ich gewinne? Wird dann der auslosenden Bloggerin und mir ebenfalls Schiebung vorgeworfen, falls wir vielleicht zufällig befreundet sind? Was ist, wenn ich ein Gewinnspiel veranstalte und eine meiner – womöglich noch bloggenden! – Freundinnen gewinnt den ausgelobten Preis? Muss jetzt jede Bloggerin bei jedem Gewinnspiel eigens betonen, dass bei ihr ehrlich und fair ausgelost wird? Zum Teil geschieht das ja schon jetzt … Die Atmosphäre ist ungut, unheilschwanger, von gegenseitigem Misstrauen vergiftet. Ich wage mir gar nicht auszumalen, wie sich der Bloggergate-Skandal auf unsere Leser und (Wunsch-)Kooperationspartner auswirken wird. Schrecken ohne Ende zeichnen sich am Horizont ab.

Inzwischen haben sich die beiden Bloggerinnen S. D. und P. T. bei ihren Communities entschuldigt, was ich sehr mutig finde. Und mich außerdem mit einer gewissen Dankbarkeit erfüllt, denn es gibt Opfer von Hetzkampagnen, die weniger Stärke besitzen und sich unter solchen Umständen etwas antun. Zum Glück war dies hier nicht der Fall. Beide haben ihre Fehler eingesehen und versprechen, sich in Zukunft an die Regeln zu halten. Aber lies am besten selbst:

 

Die Erklärung von S. D.:

»Zur Zeit geht hier ein öffentlicher Krieg unter Bloggern um, daher möchte ich mich auch mal zu Wort melden. Bei mir haben schon so viele ehrlich und fair gewonnen, weil ich einfach die Seite für euch gemacht habe. Jetzt habe ich einmal einen großen Fehler gemacht und bin der Bitte einer Leserin nachgekommen. Ich wollte ihr mit der von mir gekauften Cool Box eine finanzielle Hilfe geben. Es war einfach gut von mir gemeint, ich bin mir erst jetzt bewusst wie unfair das euch gegenüber war.

Ich kann mich nur für diesen einen Ausrutscher entschuldigen. Es war eine Bauchentscheidung von mir, leider keine Kopfentscheidung. Ich denke, die Hunderte die hier schon gewonnen haben, können das bestätigen. Ich kann euch nur zu 100% versprechen, dass ich mich nie wieder zu sowas hinreißen lassen werde. Ich kann auch jeden verstehen, der jetzt geht. Aber ich habe einen Fehler gemacht, aus dem ich nun gelernt habe. Wer darüber reden möchte, kann mich gerne anschreiben, aber ich möchte hier keine Schlammschlacht machen. Ich hoffe einfach auf eine zweite Chance von euch. Fehler sind dazu da, um daraus zu lernen.«

 

Das Statement von P. T.:

»Ja ich habe Fehler gemacht. Meinen Follower gegenüber habe ich ein unglaublich schlechtes Gewissen und meine Tat tut mir furchtbar leid. Ich bereue dass ich nicht immer fair ausgelost habe. Gestern sah ich mich aufgrund der jüngsten Geschehnisse dazu gezwungen meine Facebookseite über Nacht zu deaktivieren. Ich brauchte etwas Ruhe um über all das gründlich nachdenken zu können. Es gab Anfeindungen, Beleidigungen etc. Ja ich habe Fehler gemacht. Menschen machen Fehler, ja auch ich.

Wenn ich könnte, würde ich sofort die Zeit zurück drehen um meine Fehler ungeschehen zu machen. Ich kann gar nicht oft genug sagen, wie leid mir das alles tut. Ich kann durchaus nachvollziehen, wenn einige ihr Vertrauen in mich und meine Seite verloren haben, aber ich gebe euch mein Wort, dass sowas niemals wieder vorkommen wird und ich mein Bestes geben werde, um euer Vertrauen wieder zu gewinnen. Ich möchte mich aufrichtig und von ganzem Herzen bei S***, R*** und allen Bloggern dafür entschuldigen, dass sie nun durch mich in Misskredit geraten sind und mit den Zweifeln und Ängsten, die eigentlich mir gelten sollten, nun zu kämpfen haben. Das war nie meine Absicht!

Mein Fehlverhalten ist definitiv nicht zu entschuldigen, dennoch würde ich mir eine zweite und letzte Chance von euch wünschen. Denn ich bereue zutiefst was passiert ist. Und das nicht nur, weil es nun öffentlich gemacht wurde. Hass, Vorwürfe, Anfeindungen. All das schlug mir gestern und auch heute noch entgegen, nicht zu Unrecht. Aber bitte bedenkt was das bei mir und den anderen Beteiligten für Verletzungen hervorrufen kann. Jeder der mir etwas zu sagen hat, kann mir jederzeit eine private Nachricht schreiben, ich werde antworten. Aber bitte unterstützt diesen öffentlichen Krieg nicht weiter, denn damit wird der Hass nur weiter geschürt. Ich danke euch, das ihr diese Zeilen gelesen habt, und hoffe inständig auf eine Klärung dieser privaten Differenzen.«

 

Sissis Resümee

Menschen machen Fehler. Wer unter uns ohne Fehler ist, der möge bitte die Hand heben und den ersten Stein werfen! Als seriöse Bloggerin kann ich nicht gutheißen, was da gelaufen ist und sicherlich noch bei vielen anderen Gewinnspielen so laufen wird, ohne dass wir es jemals erfahren. Doch noch viel entsetzter bin ich darüber, wie sich die Dinge im Anschluss entwickelt haben. All diese Polemik, all dieser Hass! Nur wenige User haben die Angelegenheit hinterfragt oder sich gar nach den »Sprachnachrichten der anderen Seite« oder der »kompletten Geschichte« erkundigt. Die ihnen übrigens nicht geboten wurde!

Warum nicht?

Es stimmt mich traurig und nachdenklich, wie schnell Menschen bereit sind, andere zu verurteilen und sie sogar öffentlich übelst zu beschimpfen, ihnen zu drohen und ihre Persönlichkeitsrechte zu beschneiden. Gerechte Empörung ist in diesem Fall sicherlich angebracht, Hetze nicht. Denn es ist nur ein kleiner Schritt von der virtuellen »Volksverhetzung« bis zur realen Menschenjagd. Und das ist das Letzte, was wir angesichts der deutschen Vergangenheit, dem sich ausbreitenden braunen Pöbel und der aktuellen Flüchtlingsproblematik in unserer Gesellschaft brauchen.

Einmal mehr hat sich der produkttestende Teil der Blogosphäre tief ins eigene Fleisch geschnitten. Es sollte also bitte niemand jammern, wenn wir allerorten so verschrien sind! Stattdessen müssen wir überlegen, was wir gemeinsam tun können, um private Zwistigkeiten nicht zu einem »Bloggerkrieg« ausarten zu lassen. Wir sollten untereinander fair und ehrlich sein, ebenso wie wir unsere Leser fair und ehrlich behandeln sollten. Vertrauen muss man sich verdienen: Es ist ein Privileg, kein Recht. Und vor allem ist es keine Einbahnstraße. Lasst uns das bitte nicht vergessen!

XOXO

Sissi

[Hinweis: Alle Namen wurden von der Redaktion anonymisiert. Fotos: Brooke Cagle]

 

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